19.03.2024 – 22.09.2024

Gastspiel: Vier ungewöhnliche Uhren von Deutschschweizer Meistern

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Gastspiel «Vier ungewöhnliche Uhren von Deutschschweizer Meistern», 16.–18. Jh.; links: Sechseckige Tischuhr von Joachim Herzog, Wil; Leihgabe: Privatbesitz; Fotos: Michael Lio
In den Städten der deutschsprachigen Schweiz wurden bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts verschiedenste Uhren hergestellt. Prunkvolle, goldene Renaissance-Uhren als Statussymbol waren in der damals ärmlichen Schweiz allerdings seltene Ausnahmen.

Der Gastreferent Albert Kägi, Antikuhrmacher und Mitglied des Gönnervereins Uhrenmuseum Winterthur, stellt die Uhren des Gastspiels in der Reihe «Museum am Mittag» am Freitag, 21. Juni 2024, 12:30 Uhr vor. Die Führung ist kostenloser Bestandteil des Museumseintritts.

Tisch- und Türmchenuhren aus der Schweiz

Die Uhrmacher der Deutschschweizer Städte fertigten Ende des 16. Jahrhunderts bereits Uhren verschiedenster Art. Wohl mangels fürstlicher Auftraggeber wurden hier jedoch im Vergleich zu den europäischen Uhrenzentren nur wenige Prunkuhren im Stil der Renaissance hergestellt. Die wenigen erhaltenen Exemplare lassen oft schon den Übergang zum Barockstil erkennen. Diese zumeist federgetriebenen Uhren dienten bestimmt eher als Statussymbole oder Kabinettstücke denn als Zeitmesser. Eine weitaus grössere Verbreitung fanden einfache, von Gewichten angetriebene Eisenuhren mit bemalten Gehäusen oder auch hölzerne Uhren, die ausserhalb der Städte in verschiedenen ländlichen Regionen hergestellt wurden. Meistens lassen sich regionale Eigenarten erkennen. Manchmal kann man eine Uhr aufgrund einer typischen künstlerischen oder technischen «Meister-Handschrift» auch ohne Signatur einem bestimmten Uhrmacher zuschreiben.

 

Die vier Uhren und ihre Uhrmacher

 

Sechseckige, kalendarische Tischuhr

Baden, zweite Hälfte 17. Jh., sign. Beat Jacob Bodmar Baden (Bodmer)
Diese erstklassige Tischuhr ist äusserlich eher nüchtern mit dem Fokus auf eine klare Anzeige. Hingegen ist das Werk äusserst reich und kunstvoll gestaltet mit feinstem Rankenwerk sowie mit Federn und Hebel in gebläutem Stahl, gravierten und vergoldeten Messingteilen und einer damit korrespondierenden Signatur. Ein Blick auf das exquisite Uhrwerk ist durch sechs seitliche, gewölbte Bergkristall-Scheiben möglich.

Beat Jakob Bodmer, Baden (1639–1721)
Der Gross- und Kleinuhrmacher war um 1700 Ratsmitglied in Baden. Im Jahr 1752 wird ein Johannes Bodmer aus Zürich als Geselle und Mitarbeiter von Hans Jakob Zeller in Basel erwähnt. Ob es sich um einen Sohn von Beat Jakob Bodmer handelt, ist nicht geklärt.

 

Kleine Renaissance-Tischuhr mit Etui

Zug, zweite Hälfte 17. Jh., sign. Jo:Mieß (Johann Jakob Miesslin)  
Diese kunstvolle Tischuhr von Johann Jakob Miesslin kann als Meisterwerk bezeichnet werden, ist sie doch in technischer Hinsicht äusserst komplex. Auf dem getriebenen Sockel mit dem Uhrwerk steht ein offener, beidseitiger Ziffernring mit einer 24-Stundeneinteilung (2 x 12 Stunden). Eine umlaufende, nach innen weisende Lilie dient als Stundenzeiger. Auf der Säule steht im Zentrum des Rings eine Kugel mit dem Viertelstunden- Ring. Auf dieser Kugel weist ein um sich selbst drehendes Figürchen die Viertelstunden. Zur Uhr gehört das originale, goldgeprägte Lederfutteral. Beidseits des Ziffernrings lassen sich für das Ablesen die Deckel des Etuis öffnen.

Johann Jakob Miesslin, Zug (1634–1704)
In Zug arbeitete vom 17. bis Ende 18. Jahrhundert eine im Verhältnis zur Grösse der Stadt beachtliche Anzahl von Uhrmachern. Die Uhrmacherei war neben dem Goldschmiedehandwerk dasjenige Kunsthandwerk, mit dem sich die Stadt am meisten profilierte und über seine Grenzen hinaus Ansehen erwerben konnte. Offensichtlich hatte Jakob Miesslin eine Vorliebe für spezielle Uhren. Eine Sinkballuhr und eine Kruzifixuhr sind bekannt.

 

Sehr kleine Renaissance-Türmchenuhr mit Mondphasen-Anzeige

Bern, 1593, Initialen: «I * V * R», Datierung: 1593, zugeschrieben: Jakob von Riedt
Aufgrund der seitlich am Gehäuse eingeschlagenen Initialen «I * V * R» und des Datums «1 5 9 3» auf der Gehäusedeckplatte sowie der Darstellung des Berner Beschaustempels wird diese Türmchenuhr Jakob von Riedt in Bern zugeschrieben. Die eigenwillig grosse, durchbrochene Glockenbekrönung mit Kugel für Mondphasen- und Mondaltersanzeige sitzt auf dem feinen, gravierten und vergoldeten Gehäuse. Das Werk wurde nie umgebaut und hat noch die originale Radunruhe des 16. Jahrhunderts.

Jakob von Riedt, Bern (*1560 – ?)
Bereits 1556 wohnten in Bern an der Spitalgasse im Pfisterenviertel ein Hans von Ried und ein Peter von Ried. 1560 ist die Geburt von Jacob (Jacobenn) von Riedt belegt. Etwas später, 1571, umfasste der Haushalt von Riedt fünf Personen. Jakob von Riedt war von 1586 bis 1593 Zeitglockenrichter in Bern. 1590 wohnte er gemäss Verzeichnis an der Herrengasse in Bern.

 

Sechseckige Tischuhr

Wil (SG), sign. HERZOG WYLL
Diese stattliche Tischuhr auf kräftigen Tatzenfüssen ist als späte barocke Horizontaluhr auffällig reich graviert. Die Bauweise mit dem kurzen, seitlichen Pendel ist aussergewöhnlich, zeigt aber das Interesse der Kundschaft, nicht nur einen Prunkgegenstand, sondern auch eine genaue Uhr zu besitzen.

Joachim Herzog, Wil (18. Jh.)
Von diesem Uhrmacher sind keine genauen Lebensdaten bekannt. Einige erhaltene Uhren, darunter Telleruhren, Kommodenuhren und weitere, zeugen jedoch von einer umfangreichen Arbeit.

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Brigitte Vinzens
Konservatorin Uhrenmuseum Winterthur

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